Am 11. und 12. Dezember 2017 trafen sich VertreterInnen der Praxis, Forschung und Lehre von Public Health bereits zum zweiten Mal zu einem Symposium in Berlin, um fach- und ressortübergreifen über aktuelle und zukünftige Aufgaben von Public Health zu beraten. Die vorliegende Dokumentation gibt einen Überblick über die Vorträge sowie die Diskussionen in den Arbeitsgruppen zu sieben Handlungsfeldern. Den genauen Programmablauf sowie Informationen zu ReferentInnen, dem Programmkomitee und den Veranstaltern können Sie dem Programmheft entnehmen.
Eine PDF-Version der Dokumentation können Sie hier herunterladen.
Inhalt
Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?
Plenarvorträge Global Health in Deutschland
Podiumsdiskussion „Wege zu Health in All Policies“
Ergebnisse der Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppe 1: Rolle der Ärztinnen und Ärzte in Public Health
Arbeitsgruppe 2: Gesundheitskompetenz/Health Literacy
Arbeitsgruppe 3: Global Health in Deutschland
Arbeitsgruppe 4: Public Health und Politik
Arbeitsgruppe 5: Public Health und ÖGD
Arbeitsgruppe 6: Qualifikation und Karrierewege in Public Health
Arbeitsgruppe 7: Public Health Forschung und Rahmenbedingungen in Deutschland
Keynote „Public Health – Perspektiven“
World Café
Statements der Studierenden
Perspektive von Studierenden und AbsolventInnen der Medizin
Perspektive der Public Health-Studierenden
Perspektive der Global-Health-Studierenden
Save the Date
Wo kommen wir her, wo gehen wir hin
Bärbel-Maria Kurth gab in ihrem Vortrag einen Überblick über die Aktivitäten und Diskussionen, die seit dem ersten Zukunftsforum im November 2016 stattgefunden haben. Die Folien ihres Vortrags sind hier abrufbar.
Weiterführend verweisen wir auf das Editorial des Schwerpunkthefts der Zeitschrift „Das Gesundheitswesen“ (11/2017), das die Ergebnisse des ersten Zukunftsforums dokumentiert. Auf die Artikel des Heftes können Sie über diese Link kostenfrei zugreifen.
nach oben
Plenarvorträge Global Health in Deutschland
Im ersten thematischen Block des Symposiums ging es um die Rolle von Global Health in Deutschland und die Rolle Deutschlands in Global Health. Die drei Vorträge beleuchteten unterschiedliche Aspekte dieser Thematik:
Claudia Stein betrachtete Global Health in Deutschland aus der Sicht der WHO. Die Folien ihres Vortrags sind hier abrufbar.
Till Bärnighausen beleuchtete den Beitrag, den Forschung zu Global Health leisten kann. Die Folien seines Vortrags sind hier abrufbar.
Johannes Nießen stellte schließlich dar, welche Berührungspunkte der Öffentliche Gesundheitsdienst in seiner täglichen Arbeit mit Global Health hat. Die Folien seines Vortrags sind hier abrufbar.
nach oben
Podiumsdiskussion „Wege zu Health in All Policies“
Diskutierende: Rudolf Henke, Stefan Pospiech, Rolf Rosenbrock, Kathalyn Roßmann, Andreas Stang
Die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion teilten ihre Erfahrungen mit Strategien, die zur Umsetzung von Health in All Policies-Ansätzen in verschiedenen Handlungsbereichen führen: Politik (Henke, Stang), Zivilgesellschaft (Pospiech, Rosenbrock), Wissenschaft (Rosenbrock, Stang) und Bundeswehr (Roßmann). In der anschließenden Diskussion kristallisierten sich folgende Feststellungen und Handlungsempfehlungen heraus:
- Health in All Policies ist möglich, das zeigen Beispiele immer wieder
- In der Breite ist die Idee aber nicht angekommen
- Es sollten Gelegenheiten erkannt und genutzt werden. Gelegenheiten sind Themen/Ereignisse, die bei Öffentlichkeit und Politik eine hohe Aufmerksamkeit erzeugen und bei denen offensichtlich ist, dass Gesundheit eine Rolle spielt (Beispiele Atomausstieg, Wohnungsknappheit, AIDS-Krise)
- Public Health muss präsenter und lauter werden, um dann auch als relevant wahrgenommen zu werden.
nach oben
Ergebnisse der Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppe 1: Rolle der Ärztinnen und Ärzte in Public Health
Moderation: Till Bärnighausen, Andreas Stang
Die Arbeitsgruppe diskutierte die Rolle der ÄrztInnen in Public Health und stellte fest, dass die Praxis von Public Health evidenzbasierter werden muss. Mögliche Wege, um dies zu erreichen, sind u.a. die Vereinbarkeit von klinischer Forschung und Public-Health-Praxis, regionale Analysen der Versorgung und sektorübergreifendes Arbeiten. Als eine Strategie, um mehr ÄrztInnen für Public Health zu gewinnen, stellte die Arbeitsgruppe die Idee von „Public Health Officers“ zur Diskussion.
Die Folien der Ergebnispräsentation sind hier abrufbar.
nach oben
Arbeitsgruppe 2: Gesundheitskompetenz/Health Literacy
Moderation und Protokoll: Marie-Luise Diercks, Stefan Pospiech
In dieser Arbeitsgruppe wurde die Bedeutung der Gesundheitskompetenz für Public Health diskutiert. Dabei wurde hervorgehoben, dass es sich bei Gesundheitskompetenz um ein emanzipatorisches Konzept handelt und Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit Gesundheitsbildung soziale Ungleichheit berücksichtigt. Des Weiteren wurde darüber diskutiert, wie das Gesundheitssystem und Institutionen Gesundheitskompetenz fördern können und wie diese gemessen werden kann.
Die Folien der Ergebnispräsentation sind hier abrufbar.
In der Arbeitsgruppe kamen VertreterInnen aus unterschiedlichen Feldern zusammen – der Forschung, der Gesundheitsbildung, der gesundheitlichen Versorgung, von Sozialversicherungsträgern, aber auch aus Institutionen der Gesundheitsförderung und Prävention. Ziel war es, sich über aktuelle nationale Entwicklungen im Bereich der Gesundheitskompetenz auszutauschen. Dies besonders vor dem Hintergrund, dass im Sommer 2017 eine nationale Allianz für Gesundheitskompetenz [1] gegründet wurde, in der zahlreiche AkteurInnen des Gesundheitswesens ihre Bereitschaft bekundet haben, Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Menschen zu entwickeln und umzusetzen. Zudem wurden die Aktivitäten rund um den Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz [2] vorgestellt (veröffentlicht im Februar 2018).
Gesundheitskompetenz wird als vielschichtiges Konstrukt betrachtet, das Bezüge zu anderen gesundheitsrelevanten Konzepten, z.B. zur Gesundheitsförderung oder zum Empowerment, aufweist. Kritisch diskutiert wurden die Ergebnisse des Europäischen Health Literacy Survey (HLS-EU) und der mit der vergleichbaren Methodik durchgeführten deutschen Surveys. Diese bilden – auf der Basis von Selbsteinschätzungen der Befragten – die individuellen Fähigkeiten der Befragten ab, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden. Das Ergebnis alarmierte Politik und Entscheidungsträger: Demnach haben ca. 50% der Deutschen eine unzureichende Gesundheitskompetenz. Allerdings: ob es Menschen leicht oder schwer fällt, Informationen über Erkrankungen zu beurteilen und anzuwenden, hängt nicht nur von ihren individuellen Fähigkeiten ab, sondern auch von der Responsiveness des Systems. Eine niedrige Gesundheitskompetenz der Menschen impliziert geradezu notwendig eine Verantwortung der Versorgungseinrichtungen und des Gesundheitssystems insgesamt, das „relationale Konzept“ der Gesundheitskompetenz bedarf deshalb – insbesondere aus Public Health-Perspektive – einer besonderen Aufmerksamkeit.
In der Gruppe wurde deshalb über das in den Studien bislang verwendete Erhebungsinstrument [3] kontrovers diskutiert, auch wurde problematisiert, wieweit die Selbsteinschätzungen der Befragten reales Verhalten abbilden und ob möglicherweise die Gesundheitskompetenz über- oder auch unterschätzt wird. Das Instrument sollte, so die Schlussfolgerung, kritisch analysiert und weiterentwickelt werden.
Die Formulierung von Interventionszielen und Maßnahmen waren weitere Diskussionspunkte. Es wurde betont, dass Gesundheitskompetenz als emanzipatorisches Konzept betrachtet werden müsse, Zielgruppen müssten bereits früh in fördernde Prozesse eingebunden werden. Auch sollten Maßnahmen initiiert werden, die soziale Ungleichheit explizit adressieren. Eine besondere Rolle kommt der Gesundheitsbildung und -erziehung in Schulen zu. Die Diskussionsteilnehmenden sehen zudem in der Stärkung der kritischen Gesundheitskompetenz, also der Fähigkeit zur kritischen Analyse und Beurteilung gesundheitsbezogener Informationen, besonderes Potential.
Es gilt also, Maßnahmen oder Programme zu entwickeln und zu evaluieren, die unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte eine Stärkung der Gesundheitskompetenz auf individueller Ebene, aber vor allem auch auf System- und Institutionsebene, bewirken.
Der Stärkung der Gesundheitskompetenz kommt aktuell eine hohe Bedeutung zu, die politischen Aktivitäten rund um die Allianz für Gesundheitskompetenz oder den Nationalen Aktionsplan zeigen dies deutlich. Diese Entwicklungen sollten als Chance betrachtet, aber auch kritisch-konstruktiv begleitet werden. Viele Fragen sind aus Sicht der Teilnehmenden noch nicht beantwortet: Welchen Mehrwert hat das Konzept der Gesundheitskompetenz für die Praxis? Welche Maßnahmen sind geeignet, die Institutionen der Versorgung im Aufbau gesundheitskompetenzfördernder Strukturen zu unterstützen? Welchen Einfluss hat die Diskussion um die Gesundheitskompetenz auf andere Public Health relevante Bereiche – z .B. Gesundheitsförderung und Prävention?
Die intensive Diskussion mit VertreterInnen verschiedener Interessensgruppen über den Stellenwert und die strategische Umsetzung gesundheitskompetenzfördernder Aktivitäten hat wertvolle Impulse für zukünftige Aufgaben ergeben, das Zukunftsforum kann und sollte weiterhin ein Ort sein, an dem besonders die Public-Health-Perspektive der Gesundheitskompetenz weiter entwickelt wird.
Literatur:
[1] Bundesministerium für Gesundheit (2017): Pressemitteilung Gründung der „Allianz für Gesundheitskompetenz“
www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2017/juni/allianz-fuer-gesundheitskompetenz/?L=0 [2] Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz:
www.nap-gesundheitskompetenz.de/ [3] Sorensen K, van den Broucke S, Pelikan JM, et al.: Measuring health literacy in populations: illuminating the design and development process of the European Health Literacy Survey Questionnaire (HLS-EU-Q). Annex: The HLS-EU-Q47 of the HLS-EU Consortium for the European Health Literacy Survey (HLS-EU). BMC Public Health 2013; 13:948.
static-content.springer.com/esm/art%3A10.1186%2F1471-2458-13-948/MediaObjects/12889_2012_5945_MOESM1_ESM.pdf
nach oben
Arbeitsgruppe 3: Global Health in Deutschland
Moderation und Protokoll: Oliver Razum, Hajo Zeeb
Diese Arbeitsgruppe diskutierte die Entwicklungen im Bereich Global Health in Deutschland seit der Strategie globale Gesundheitspolitik der Bundesregierung 2013 und stellte fest, dass eine Vernetzung der Global-Health-Aktiven von großer Bedeutung ist. Eine konkrete Idee der Arbeitsgruppe ist ein Input des Zukunftsforums beim 10. World Health Summit im Herbst 2018.
Die Folien der Ergebnispräsentation sind hier abrufbar.
Im Mittelpunkt des Workshops standen die Globale Gesundheitspolitik der Bundesregierung und die sich daraus für Public Health in Deutschland ergebenen Konsequenzen wie auch damit verbundene Aufgaben, Positionierungen und Herausforderungen. Anknüpfend an den Workshop beim 1. Zukunftsforum Public Health 2016 reflektierte Hajo Zeeb zunächst die dort erzielten Ergebnisse und stellte den betreffenden Beitrag in „Das Gesundheitswesen“ vor (Razum & Zeeb, 2017). Anschließend präsentierte Oliver Razum den Lancet-Artikel “Germany’s expanding role in global health” zur neuen Rolle Deutschlands in Global Health (Kickbusch et al., 2017). Eine stärkere Rolle in Global Health erfordert auch eine Stärkung von Public Health in Deutschland (Wildner, Wieler, & Zeeb, 2018), was allerdings strukturelle Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem erforderlich macht (Razum et al., 2018). Hauptreferent des Workshops war Herr Björn Kümmel aus dem Referat Globale Gesundheitspolitik des BMG, der das Konzept der Bundesregierung zur Globalen Gesundheitspolitik vorstellte (Bundesministerium für Gesundheit, 2013) und über dessen Überarbeitungsstand berichtete. In der anschließenden Diskussion ordneten die TeilnehmerInnen die aktuellen Entwicklungen kritisch ein.
Literatur:
Bundesministerium für Gesundheit. (2013). Globale Gesundheitspolitik gestalten – gemeinsam handeln – Verantwortung wahrnehmen. Konzept der Bundesregierung. Retrieved from Berlin: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/einzelansicht.html?tx_rsmpublications_pi1[publication]=2137&tx_rsmpublications_pi1[action]=show&tx_rsmpublications_pi1[controller]=Publication&cHash=8cd585df466c39463da9326f56890bc9
Kickbusch, I., Franz, C., Holzscheiter, A., Hunger, I., Jahn, A., Köhler, C., Razum, O., Schmidt, J. O. (2017). Germany’s expanding role in global health. The Lancet, 390(10097), 898-912. doi:10.1016/S0140-6736(17)31460-5
Razum, O., Franz, C., Holzscheiter, A., Kickbusch, I., Köhler, C., Schmidt, J. O., & Jahn, A. (2018). Germany’s expanding role in global health – Authors‘ reply. The Lancet, 391(10121), 658. doi:10.1016/S0140-6736(18)30251-4
Razum, O., & Zeeb, H. (2017). Globalisierung und Public Health. [Global Public Health – Results of the Working Group 3 of the Forum Future Public Health, Berlin 2016]. Gesundheitswesen, 79, 910-912. doi:10.1055/s-0043-118530
Wildner, M., Wieler, L. H., & Zeeb, H. (2018). Germany’s expanding role in global health. The Lancet, 391(10121), 657.
nach oben
Arbeitsgruppe 4: Public Health und Politik
Die Arbeitsgruppe diskutierte, wie Agenda Setting betrieben und Public-Health-Konzepte in politisches Handeln implementiert werden können. Das Beispiel „Gesunde und resiliente Kommunen“ eignet sich als Modellprojekt, da die Vielseitigkeit von Public Health deutlich wird, kommunale Handlungsoptionen aufgezeigt werden können und auf lokaler Ebene die Verbindung von Public Health mit anderen Politikfeldern (Klimawandel, Lebensmittelversorgung, Umwelt, Bildung etc.) sehr klar sichtbar wird.
Moderation: Thomas Altgeld, Raimund Geene, Manfred Wildner
Die Folien der Ergebnispräsentation sind hier abrufbar.
nach oben
Arbeitsgruppe 5: Public Health und ÖGD
Moderation und Protokoll: Heidrun Böhm, Ralf Iwohn, Joseph Kuhn, Christiane Vick für die länderoffene AG ÖGD der AOLG
In der AG haben sich WissenschaftlerInnen, Studierende verschiedener Studiengänge sowie MitarbeiterInnen des ÖGD zusammengefunden.
Zentrales Thema dieser Arbeitsgruppe war das Verhältnis zwischen ÖGD und Public Health. Es wurde festgestellt, dass nach wie vor ein Gegensatz zwischen Old und New Public Health gesehen wird. Die Arbeitsgruppe diskutierte Lösungsansätze zur besseren Vernetzung von Public Health und ÖGD, beispielsweise durch den Austausch von Personal oder die Schaffung von Forschungsmöglichkeiten in Einrichtungen des ÖGD.
Die Folien der Ergebnispräsentation sind hier abrufbar.
In die Diskussion führten drei Impulsvorträge ein: Heidrun Böhm zeichnete die Entwicklung des ÖGD-Leitbilds nach, Joseph Kuhn stellte die wesentlichen Inhalte des Leitbilds vor und Wolfgang Hoffmann formulierte die Erwartungen der Wissenschaft an den ÖGD.
Im Anschluss an die Impulsvorträge wurden kurz die Entwicklungen seit dem letzten Zukunftsforum diskutiert. So wird der GMK-Beschluss 2016 zur Stärkung des ÖGD schrittweise umgesetzt, für den ÖGD wird ein modernes, PH-orientiertes Leitbild entwickelt, das sich in der Endabstimmung befindet und in der PH-Community ist das Bewusstsein über die Rolle des ÖGD differenzierter, der ÖGD wird als Partner akzeptiert. Darüber hinaus findet die Idee von ÖGD-Professuren Unterstützung.
Im ersten Teil der Sitzung standen aktuelle Herausforderungen im Verhältnis Public Health und ÖGD im Vordergrund. Insgesamt wurde deutlich, dass New und Old Public Health noch zu sehr als Gegensätze gesehen werden. Um diesen Gegensatz aufzulösen und den ÖGD als integralen Bestandteil von Public Health zu verankern, sollten PH und ÖGD enger zusammenarbeiten, auch, indem der Austausch von Personal untereinander durch Tätigkeiten im ÖGD einerseits und in der Forschung andererseits ermöglicht wird. Der ÖGD muss sich der Aufgabe stellen, Ergebnisse der Public-Health-Forschung umzusetzen und auf die (kommunal-) politische Ebene zu transportieren und seine Einrichtungen müssen neue Professionen in ihren Bereichen zulassen und mehr Durchlässigkeit schaffen. Im ÖGD werden weitere Berufsgruppen gebraucht, auch, weil häufig ÄrztInnen fehlen. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass der ÖGD weder im Medizinstudium noch in den PH-Studiengängen eine große Rolle spielt. Der ÖGD sollte die Möglichkeiten schaffen, in seinen Einrichtungen wissenschaftlich zu arbeiten, Bachelor- und Masterarbeiten sind zu unterstützen.
Eine weitere wichtige Herausforderung wurde im Datentransfer gesehen. Der ÖGD verfügt durch seine Untersuchungen und die Gesundheitsberichterstattung über einen Datenschatz, der bislang nicht ausreichend ausgewertet und genutzt wird. Jedoch werden die Daten bislang nicht bundeseinheitlich geführt, als Beispiel wurde hier die Datenerfassung bei den Schuleingangsuntersuchungen genannt. Der ÖGD muss vermehrt eine lenkende, führende und koordinierende Rolle in der regionalen Gesundheitsplanung übernehmen. Ein weiteres Problem ist, dass der ÖGD nicht genügend im Präventionsgesetz (PrävG) verankert und an dessen Umsetzung beteiligt ist.
Im Rahmen der weiteren Diskussion wurde gemeinsam herausgearbeitet, welche konkreten Maßnahmen zur Umsetzung dieser Herausforderungen nötig sind. Generell wurde festgehalten, dass der ÖGD seine Stärken besser darstellen muss, z.B. seine Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen. Darüber hinaus sollten zwischen ÖGD und Hochschulen strategische Partnerschaften zur Datenerfassung und deren Auswertung gebildet und die kommunale Ebene als Ziel für die Public Health-Forschung erschlossen werden, wobei der Transfer von den Forschungsergebnissen in die Praxis der kommunalen Ebene gewährleistet werden muss. Zudem ist der ÖGD stärker an den Universitäten zu verankern, ÖGD- und PH-Lehrstühle sind einzurichten und ÖGD-Personal sollte auch in Forschungsvorhaben der Universitäten einbezogen werden. PH-Themen sind auch in nichtmedizinische Studiengänge einzubinden, Kooperationen bei Abschlussarbeiten sollten ermöglicht werden. Im ÖGD sind Berufs- und Karrierechancen für andere Berufsgruppen zu schaffen.
Ein weiteres wichtiges Thema war Partizipation. So wurde gefordert, dass die Leitbildentwicklung durch aktive Partizipation der kommunalen Ebene fortgeführt wird und vorgeschlagen, in der regionalen GBE mehr mit Bürgerbefragungen zu arbeiten.
Zum Thema Prävention wurde festgehalten, dass der ÖGD stärker in die Landesrahmenvereinbarungen zum PrävG eingebunden werden muss und dass deutschlandweite und regionale Gesundheitskonferenzen mit VertreterInnen des ÖGD und PH sinnvoll wären.
Allen Teilnehmenden ist es sehr wichtig, dass die Ergebnisse dieser Tagung effektiv kommuniziert werden. Dazu muss ein eventuelles Weißbuch PH so angelegt werden, dass auch Dritte erreicht werden. TagungsteilnehmerInnen sollten sich als Multiplikatoren verstehen.
nach oben
Arbeitsgruppe 6: Qualifikation und Karrierewege in Public Health
Moderation und Protokoll: Nico Dragano, Ute Rexroth
Diese Arbeitsgruppe knüpfte an die Diskussionen zur „Public Health Aus-, Fort- und Weiterbildung“ beim Zukunftsforum 2016 an und hat Lösungsvorschläge entwickelt, die insbesondere auf die Stärkung von PH-Inhalten im Medizinstudium sowie eine bessere Präzisierung der Karriereoptionen von PH-Studierenden abzielen, z.B. durch Mentoringprogramme.
Die Folien der Ergebnispräsentation sind hier abrufbar.
An der Bedeutung einer fundierten und qualitativ hochwertigen Qualifikation für die Menschen, die Public Health in seiner Breite tragen, hat sich seit dem Symposium 2016 ebenso wenig etwas geändert, wie an der Notwendigkeit diesen Menschen attraktive und planbare Karrierewege zu eröffnen. Insofern organisierte die AG 6 ihre Diskussion auch entlang des zentralen Ergebnispapiers des Vorjahres (Sonderheft Gesundheitswesen Zukunftsforum Public Health 2016). Ziel war es, aus der Fülle der Vorschläge diejenigen mit der höchsten Priorität zu identifizieren und konkrete weitere Schritte zu planen. Dabei wurde der bereits im Vorjahr vorgeschlagenen Systematik gefolgt, die drei großen Gruppen von Berufen mit Public Health Bezug getrennt zu behandeln (1. Public Health-ExpertInnen, 2. Gesundheitsberufe, 3. andere Berufsgruppen mit Public Health-Bezügen), wobei der Schwerpunkt auf die beiden ersteren Gruppen gelegt wurde.
Als wesentliches Problem wurde gesehen, dass ein gemeinsamer Kanon von wesentlichen Public Health-Kompetenzen in den Curricula der unterschiedlichen Studiengänge fehlt. Die Zahl der Studiengänge, die Public Health-Kernbereiche vermitteln, wächst, zugleich taucht in der Benennung der Studiengänge die Mutterdisziplin oft nicht mehr auf. Die akademische Public-Health- Ausbildungslandschaft wird dadurch unübersichtlich. Zudem wurde wie bereits im Vorjahr bemängelt, dass es an Abstimmung der Studieninhalte auf die tatsächlich von ArbeitgeberInnen erwarten Kompetenzen mangelt. Neben grundständigen PH-Studierenden wird nach wie vor der Bedarf nach „QuereinsteigerInnen“ gesehen, also Personen, die zusätzlich zu einem Abschluss in Public Health ein weiteres (Primär-)Studium absolviert haben. Zusätzlich zu diesen internen Problemen konkurrieren Public-Health-Studiengänge mit anderen Studiengängen um gute BewerberInnen, was die Frage aufwirft, wie junge Menschen für Public Health begeistert werden können.
Auch das Thema ÖGD und Medizinstudium wurde in der Arbeitsgruppe diskutiert. Der ÖGD hat Probleme ärztlichen Nachwuchs zu gewinnen, daher sollte die öffentliche Gesundheit verstärkt im Studium der Medizin verankert werden. Allerdings ist das Medizinstudium bereits stark überfrachtet, daher sollten bereits vorhandene Public Health-Inhalte als solche kenntlich gemacht werden. Zudem müssen Kernkompetenzen, z.B. zum ÖGD, in die Pflichtcurricula aufgenommen werden und dafür ggf. andere, weniger relevante Themen in Wahlcurricula verschoben werden.
Zu diesen und weiteren Themen wurden verschiedene Lösungsvorschläge gemacht. Sie zielen u.a. darauf ab, die Studieninhalte in den Public-Health-Studiengängen zumindest im Kern zu harmonisieren, Public Health im Medizinstudium zu stärken, sowie den ÖGD als Aufgabenfeld sowohl in den PH Studiengängen als auch der Medizin präsenter zu machen. Diese Themen werden nun weiter verfolgt. Eine vollständige Übersicht der diskutieren Lösungswege gibt der Bericht der AG6, der hier zur Verfügung gestellt wird.
Die AG war sich bewusst, dass bei weitem nicht alle relevanten Berufsgruppen mit Public Health-Bezug in der AG repräsentiert waren. Daher wurde beschlossen zum Zukunftsforum 2018 bestimmte Berufsgruppen gezielt einzuladen. Hervorzuheben ist jedoch, dass diesmal mehrere Public-Health-Studierende teilnahmen und ihre Perspektiven einbrachten.
nach oben
Arbeitsgruppe 7: Public-Health-Forschung und -Rahmenbedingungen in Deutschland
Moderation und Protokoll: Freia De Bock, Ansgar Gerhardus, Thomas Ziese
An dieser Arbeitsgruppe nahmen HochschulprofessorInnenen Public Health, VertreterInnen der Gesundheitsförderung, Epidemiologie und Sozialmedizin; VertreterInnen des Helmholtzzentrums, der BZgA, des RKI, des BMG und des DLR sowie wissenschaftliche ArbeitsgruppenleiterInnen aus Universitäten teil.
Diese Arbeitsgruppe diskutierte die Bedingungen von Public-Health-Forschung und entwickelte neben Forderungen an die Forschungsförderung nach Förderprogrammen, die die Besonderheiten der Public-Health-Forschung berücksichtigen, vor allem die Idee einer Plattform zur Vernetzung von Forschung und Praxis, die durch das Zukunftsforum umgesetzt werden soll.
Die Folien der Ergebnispräsentation sind hier abrufbar.
Die Arbeitsgruppe stellte zahlreiche Herausforderungen für die Public-Health-Forschung fest. So sind Hochschulen und andere Forschungseinrichtung unzureichend ausgestattet und es gibt keine nennenswerte Strukturförderung. Zudem sind Förderformate nicht immer den Anforderungen von Public Health angemessen, z.B. in Bezug auf Zeiträume, Interdisziplinarität, Vorankündigung, Finanzmittel. Insbesondere wurde kritisiert, dass es keine der Public Health angemessene Gütekriterien von Forschung gibt. Doch auch interne Herausforderungen wurden identifiziert, allen voran die Zersplitterung der Public-Health-Community, in der sich eher gegeneinander abgegrenzt wird anstatt eine gemeinsame Identität zu entwickeln. All dies stellt die Public-Health-Forschung vor die Dilemmata, dass es keine klare Definition von Public Health gibt, dass es notwendig ist, sich in Subbereichen zu spezialisieren und dass sich ForscherInnen wegen des erwarteten und geforderten Impacts an enggefasster Forschung orientieren.
Doch es gab seit dem ersten Zukunftsforum 2016 auch positive Entwicklungen. Allen voran ist die Ausschreibung der Public-Health-Forschergruppen durch die DFG zu nennen. Doch auch durch gesamtgesellschaftliche Entwicklungen wie dem Umgang mit Geflüchteten oder dem Dieselskandal haben dem Thema Public Health und ÖGD Aufwind gegeben. Zudem gibt es im Rahmen des Präventionsgesetzes neue Möglichkeiten zur Forschung, z.B. zur Umsetzung und Wirksamkeit einzelner Maßnahmen. Auch das Zukunftsforum selbst als Plattform für eine gemeinsame Public-Health-Identität und für den besseren Einbezug von PraxispartnerInnen in Public-Health-Forschung wird als positive Entwicklung gesehen.
Auf der Grundlage dieser Herausforderungen und positiven Entwicklungen entwickelte die Arbeitsgruppe Strategien zur Förderung von Public-Health-Forschung für die drei AdressatInnenenkreise Forschungsförderung, WissenschaftlerInnen und Praxis.
Forschungsförderung
Für Public-Health-Forschung sollten Voraussetzungen definiert werden, z.B. die Einbindung von PraxispartnerInnenn, die dann wiederum durch ein entsprechendes Budget und ausreichende Vorlaufzeit und Dauer der Förderung ermöglicht werden müsste. Interdisziplinarität, die Public-Health-Forschung ausmacht, muss bei der Begutachtung berücksichtigt werden und in neuen Formaten aufgegriffen werden, die explorativ, methodisch und inhaltlich mutig sind. Außerdem sollte in der Förderung nationaler Gesundheitszentren Public Health berücksichtigt werden.
WissenschaftlerInnen/Forschende
Der gemeinsame Fokus der Public-Health-Community sollte darauf liegen, das Feld gemeinsam nach vorn zu bringen und dabei eine disziplinspezifische, solidarische Bewertungskultur zu entwickeln. Dabei ist das Spannungsfeld zwischen Wettbewerb auf der einen Seite und Absprachen im Vorfeld auf der anderen Seite auszuhandeln. Eine weitere Aufgabe der Wissenschaft ist es, einen Diskurs zur Evaluation komplexer Interventionen zu führen. Generell sollte überprüft werden, ob Forschungsförderung und Wissenschaft unter Public Health das gleiche verstehen.
Praxis
Die Arbeitsgruppe schlägt eine Plattform vor, auf der sich Forschung und Praxis finden und austauschen kann. Die Akademien für ÖGW können dabei als Kristallisationspunkte für Kooperationen zwischen Hochschulen und ÖGD dienen. Inhaltlich könnte sich die Plattform z.B. mit der Weiterentwicklung von Qualitäts- und Evidenzbegriffen in Prävention/Gesundheitsförderung, der Umsetzung des Präventionsgesetzes in den Lebenswelten und der internationalen Evidenz für bestimmte Themen beschäftigen. Der Fokus sollte auf der Implementierung und Transferabilität von Maßnahmen liegen. Die Arbeitsgruppe hält es für dringlich, die Möglichkeiten einer solchen Plattform schnellstmöglich abzuklären.
Die nächsten Schritte im Bereich Public-Health-Forschung sieht die Arbeitsgruppe in der Priorisierung von Forschungsthemen sowie einem Workshop mit Forschungsförderern zu Notwendigkeiten der Public-Health-Forschungsförderung.
nach oben
Keynote „Public Health – Perspektiven“
Rolf Rosenbrock betonte in seinem Vortrag zu den Perspektiven von Public Health die große Rolle sozialer Ungleichheiten in Bezug auf Gesundheit und leitete daraus ab, das Public Health immer auch Sozialpolitik sein muss. Sein Vortrag ist auf YouTube zu sehen, die Folien zu seinem Vortrag sind hier abrufbar.
nach oben
World Café
Im World Café hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit zukunftsorientiert ihre Vorstellungen zu ausgewählten Handlungsfeldern von Public Health einzubringen. Diese waren im Einzelnen:
- Diskussionen anregen: Welche Öffentlichkeitsarbeit braucht Public Health?
- Prioritäten setzen: Was sind die fünf wichtigsten Themen, zu denen Stellungnahmen des Zukunftsforums sinnvoll wären?
- Politik aktivieren: Wie ist Public Health in die Politik einzubringen? Mit wem müssen wir uns vernetzen?
- Tagungsplanung 2018 – Im Gespräch bleiben: Was soll bei der Tagung zum Zukunftsforum 2018 aufgegriffen werden?
- Wie sieht der/die ideale „Public HealtherIn“ aus?
- Gesundheitsförderung (von den Teilnehmenden gewähltes offenes Thema).
In den Diskussionen während des World Cafés hat sich – wie auch im gesamten Symposium – gezeigt, dass der Bedarf nach einer stärkeren Vernetzung innerhalb der Public-Health-Community und einer eigenen Identität des Feldes, die Praxis und Forschung zusammenbringt, weiterhin sehr groß ist. Gleichzeitig ist eine Fokussierung auf zentrale Themen (z.B. Prävention, Gesundheit verschiedener Altersgruppen: Frühe Hilfen und „Healthy Aging“, Umwelt/Klimawandel und Gesundheit) gewünscht. Möglicherweise können beide Ziele gemeinsam erreicht werden: durch die Arbeit an gemeinsamen Zielen kann die Zusammenarbeit und Vernetzung gestärkt werden.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kooperation sowohl mit der Politik und Fachverbänden als auch mit BürgerInnen, um das Konzept Health in All Policies umzusetzen. Dies umfasst Öffentlichkeitsarbeit, um zu erklären, was Public Health ist, zielgerichtete Politikberatung und Agenda Setting sowie BürgerInnenbeteiligung.
Das ausführliche Protokoll des Thementisches „Tagungsplanung 2018 – im Gespräch bleiben“ kann hier abgerufen werden.
nach oben
Statements der Studierenden
Perspektive von Studierenden und AbsolventInnen der Medizin
Peter von Philipsborn ruft in seinem Statement die Public-Health-Community dazu auf, geschlossener und selbstbewusster ihr Fach und seine Stärken zu vertreten. Dies gilt sowohl für den aktiven politischen Einsatz für gesundheitserhaltende und -fördernde Lebensbedingungen als auch für ein Engagement für die Verankerung von Public Health im Medizinstudium.
Public Health ist ein interdisziplinäres Feld und MedizinerInnen sind nur eine, nicht notwendigerweise die wichtigste, Berufsgruppe in diesem. Doch werden beim Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) ebenso wie in vielen anderen Bereichen des Gesundheitssystems auch MedizinerInnen benötigt, die über Offenheit, Verständnis, Wissen und Erfahrung zu Fragen öffentlicher Gesundheit verfügen. Deshalb möchte ich mich in meinem Kommentar auf die folgende Frage fokussieren: Wie kann die Attraktivität der Öffentlichen Gesundheit als Arbeitsfeld für AbsolventInnen der Medizin gestärkt werden?
Als mögliche Antwort auf diese doppelte Frage möchte ich zwei Thesen formulieren. Meine erste These lautet: Die Öffentliche Gesundheit als Inhalt des Medizinstudiums muss gestärkt werden.
Bei der letztjährigen medizinischen Staatsexamensprüfung wiesen von rund 300 Prüfungsfragen nur zwei einen expliziten Bezug zur Öffentlichen Gesundheit auf. Es ist möglich, in Deutschland Medizin zu studieren, ohne den Begriffen ÖGD, Soziale Determinanten von Gesundheit oder Health in All Policies zu begegnen. Public Health führt im Medizinstudium ein Schattendasein, und das muss sich ändern. Wie dies geht, hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) gezeigt: Diese hat es innerhalb weniger Jahre geschafft, ihr Fach im Medizinstudium und darüber hinaus ganz erheblich aufzuwerten. Innerhalb von 10 Jahren hat sich die Zahl der allgemeinmedizinischen Lehrstühle an den medizinischen Fakultäten in Deutschland verdreifacht, wurde die Pflichtfamulatur und das Pflicht-Tertial Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr eingeführt, wurde die Allgemeinmedizin von einem belächelten, an den medizinischen Fakultäten im Prinzip nicht-existenten Fach zum mit am stärksten im Medizinstudium verankerten Fach.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig eine nach außen geschlossen auftretende, handlungsfähige und leistungsstarke Fachorganisation ist. Auf der Liste der Veranstalter dieses Forums finden sich mindestens 5 Fachgesellschaften mit teils ganz verwirrend ähnlichen Abkürzungen und Akronymen, die sich alle mit Teilaspekten von Public Health beschäftigen. Vielfalt ist eine Stärke, aber unnötige Zersplitterung und interne Grabenkämpfe sind es nicht. Problematisch ist auch, dass es noch nicht zu einer Einigung auf eine Fachbezeichnung gekommen ist. Bei dem im akademischen Diskurs verwendeten Begriff – Public Health – handelt es sich um einen englischen Fachbegriff, der den meisten Laien nicht geläufig und nicht verständlich ist. Für die öffentliche Wahrnehmung des Faches ist dies nicht hilfreich.
Die zweite These lautet: VertreterInnen der Öffentlichen Gesundheit müssen fachlich und politischer selbstbewusster auftreten
In den eigenen Kreisen über das eigene Fach zu diskutieren, sich für Partikularinteressen einzusetzen, die ignorante Welt außerhalb des Elfenbeinturms und des eigenen disziplinären Silos zu beklagen – auch das hat seine Berechtigung, so viel Selbstversicherung und Standortbestimmung darf und muss manchmal sein. Ich möchte nicht verallgemeinern, denn damit täte ich vielen unrecht – doch manchmal kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass hier auch erlernte Hilflosigkeit im Spiel ist, und manch einer die politischen, administrativen, rechtlichen und bürokratischen Zwänge, denen man sich im Gesundheitsamt, an der Hochschule und anderswo ausgesetzt sieht, schon internalisiert hat. Was hier manchmal hilfreich wäre, wäre mehr vom Geist des „We can do it!“, und auch des „Let’s do it!“ – mehr Dynamik, mehr Kampfeswillen und mehr Ungeduld mit verkrusteten, nur scheinbar alternativlosen Strukturen. Und, was vielleicht manchmal auch gut wäre, wäre den Blick stärker und konsequenter weg von denen eigenen Partikularinteressen zu nehmen und schärfer auf das große Ganze zu fokussieren.
Denn worin die Organisationen und VertreterInnen der Öffentlichen Gesundheit noch besser, noch aktiver, noch sichtbarer werden müssen als bislang, ist der aktive politische Einsatz für gesundheitserhaltende und -fördernde Lebensbedingungen für die Menschen in diesem Land und darüber hinaus.
Ich habe hier weder jene standespolitischen und allgemein-abstrakten Aussagen im Sinn, die sich in Stellungsnahmen des Zukunftsforums und anderer Fachorganisationen zahlreich finden. Ich habe auch nicht große, radikale Aufrufe zur fiskalischen Umverteilung oder zum wirtschaftspolitischen Systemwechsel im Sinne, von denen Herr Rosenbrock gesprochen hat – denn solche Themen fallen vielleicht doch eher in den Kompetenzbereich anderer Fachdisziplinen, allen voran der Wirtschaftswissenschaften. Ich denke vielmehr an Themen wie die konsequente Umsetzung der WHO-Aktionspläne zu Ernährung, Alkohol, Tabak und körperlicher Aktivität in Deutschland. Diese politische Auseinandersetzung muss teils gegen den Widerstand entsprechender Interessengruppen geführt werden, mit dem nötigen Einsatz und der nötigen Entschlossenheit, aber stets sachlich und fundiert auf der Grundlage systematischer Evidenzsynthesen, wie es sie zu bevölkerungsweiten Public-Health-Interventionen schon zahlreich gibt. Wie dies geht, haben 20 wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften und Berufsverbände aus dem Bereich der klinischen Medizin vorgemacht, die sich 2010 zur „Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten – DANK“ zusammengeschlossen haben, um gemeinsam politische Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit für eine bessere Präventionspolitik zu betreiben. Vier Maßnahmen, die im Moment im Zentrum der Bemühungen von DANK stehen, sind eine gesundheitsfördernde Steuerreform, die bessere Regulierung von Kindermarketing, verbindliche Qualitätsstandards für die Schul- und Kitaverpflegung und eine Stunde körperliche Bewegung pro Tag in der Schule. Um solche konkreten, praktischen Themen werden die entscheidenden politischen Kämpfe ausgefochten und bei diesen Auseinandersetzungen wie auch in der Gesundheitspolitik im Allgemeinen wird auch die Stimme und der Sachverstand der Öffentlichen Gesundheit dringend gebraucht.
nach oben
Perspektive der Public-Health-Studierenden
Sebastian Hink beleuchtet in seinem Statement die Herausforderungen, vor denen Public-Health-Studierende stehen und benennt insbesondere die unklaren Karriereaussichten und die mangelnde Bekanntheit der Kompetenzen von AbsolventInnen bei potenziellen ArbeitgeberInnen. Er wünscht sich eine stärkere gesellschaftliche Verankerung von Public Health und kündigt eine stärkere Selbstorganisation von Public-Health-Studierenden an.
In diesem Jahr waren Studierende unterschiedlicher Fachdisziplinen erstmals koordiniert als eigene Statusgruppe auf dem Zukunftsforum Public Health vertreten. Studierende von Public Health bilden gemeinsam mit anderen Professionen eine relevante Gruppe innerhalb der Public-Health-Landschaft. Die interdisziplinäre Public-Health-Ausbildung an deutschen Hochschulen ermöglicht es, Brücken zwischen Disziplinen zu bauen und gemeinsam auf das Thema „Gesundheit für alle“ zu fokussieren. Die Ausbildung hat ein hohes fachliches Niveau und fördert durch eine interdisziplinäre Geisteshaltung Innovationen im Denken und Handeln der Studierenden.
Dennoch gibt es aus Sicht der Studierenden Handlungsfelder um die Qualität der Ausbildung noch weiter zu steigern. Im Folgenden werden diese Handlungsfelder aufgeführt.
1. Der unscharfe Public-Health-Begriff hemmt die Anerkennung der Disziplin in der Gesellschaft.
Viele akademische Disziplinen sind in der Gesellschaft fest verankert. So sind Fächer wie beispielsweise Medizin oder Soziologie gesamtgesellschaftlich bekannt. Public Health hat diesen Grad der Bekanntheit noch nicht erreicht. Ein Grund hierfür kann in der wenig trennscharfen Definition von Public Health liegen. Der Begriff umfasst viele Disziplinen, Arbeitsfelder und Themen und ist daher häufig inhaltlich schwer zu benennen. Eine einheitliche Definition würde dazu beitragen, gesamtgesellschaftlich mehr Anerkennung für die Disziplin zu erzeugen. Ebenso würde eine Definition dazu beitragen, dass StudienanfängerInnen eine bessere Orientierung in das Public-Health-Feld erhalten.
2. Den Studierenden von Public Health fällt es schwer sich im Arbeitsmarkt zu orientieren.
Häufig wissen Public-Health-Studierende nach ihrem Abschluss nicht, in welchen Berufsfeldern ein Bedarf an Public Health-AbsolventInnen besteht. Weiter besteht Unsicherheit darüber, welche konkreten Aufgaben durch AbsolventInnen von Public Health übernommen werden können. Die besondere Stärke von Public Health besteht in der Interdisziplinarität der Ausbildung. Die Studierenden sind sich ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse bewusst, können diese aber nur mit Mühe in Aufgaben auf dem Arbeitsmarkt überführen. Dies führt zum Ende des Studiums zu einer großen Unsicherheit. Ein gemeinsamer Kompetenzrahmen kann hier einen Ansatz zu einer Lösung darstellen. Ein solcher Kompetenzrahmen müsste deutlich kommuniziert werden und in das Selbstverständnis der Disziplin übergehen.
3. Dem Arbeitsmarkt ist nicht bekannt, welche Kompetenzen Public-Health-AbsolventInnen mitbringen.
Ebenso wissen potenzielle ArbeitgeberInnen nicht, welche Kompetenzen von Public-Health-AbsolventInnen zu erwarten sind. Dies steht im Zusammenhang mit der noch ausbaufähigen gesellschaftlichen Anerkennung der Disziplin. In Stellenausschreibungen ist nur selten Public Health als Abschluss aufgeführt. Häufig müssen AbsolventInnen von Public Health und potenzielle ArbeitgeberInnen dann über die vorhandenen Kompetenzen Entscheidungen treffen. Auch für dieses Problem würde ein Kompetenzrahmen einen Ansatz zur Lösung darstellen. In diesem Kompetenzrahmen könnten Kernkompetenzen angeführt werden mittels derer der Arbeitsmarkt AbsolventInnen von Public Health besser einbinden kann.
4. Eine stärkere gesamtgesellschaftliche Verankerung der Public-Health-Ausbildung ist notwendig.
Für die zukünftige Gestaltung von Public Health sind selbstbewusste und sich ihrer Kompetenzen sichere Public-Health-AbsolventInnen notwendig. Hierzu muss die Ausbildung noch stärker als bisher in der gesamten Gesellschaft verankert werden. Alle Aspekte der Gesellschaft müssen berücksichtigt werden. Ebenso sollte die private Wirtschaft stärker in der Ausbildung Berücksichtigung finden. Dies bietet sowohl große Risiken als auch große Chancen. Eine Disziplin, welche sich für die gesamte Gesellschaft verantwortlich zeichnet, darf nicht Teile der Gesellschaft aussparen.
5. Die Positionierung der Public-Health-Studierenden in der Public-Health-Landschaft.
Im Feld der Public Health stehen die Studierenden von Public Health auf Augenhöhe mit vielen bereits etablierten Disziplinen. Probleme können so gemeinschaftlich und interdisziplinär angegangen und gelöst werden. Viele Disziplinen können dabei auf Strukturen zurückgreifen, welche bereits seit Jahrzehnten oder noch länger fest in der Gesellschaft etabliert sind. Public-Health-AbsolventInnen verfügen noch nicht über diese Strukturen. Dies ist ein großer Nachteil, da eben nicht auf diese Strukturen zurückgegriffen werden kann. Gleichzeitig ist es ein großer Vorteil, da viele Strukturen neu geschaffen werden und den Bedürfnissen angepasst werden können. Zur Schaffung solcher Strukturen benötigen die Studierenden von Public Health die Hilfe aller Public-Health-AkteurInnen.
An der Bearbeitung der genannten Handlungsfelder möchten wir Studierenden in Zukunft aktiv mitwirken. Die Einbindung von uns Studierenden in das Zukunftsforum Public Health ist ein richtiger und wichtiger Schritt für die zukünftige Ausgestaltung von Public Health. Wir werden aktiv in den Arbeitsgruppen mitwirken und unsere Themen an den geeigneten Stellen anbringen. Ein nächster wichtiger Schritt kann darin bestehen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein bis zwei studentische Mitglieder in die Steuerungsgruppe des Zukunftsforums Public Health aufzunehmen. Mit diesem Schritt kann die studentische Einbindung weiter verstärkt werden.
nach oben
Perspektive der Global-Health-Studierenden
Pia Maier und Anna Müller betonen in ihrem Statement, dass Gesundheit grenzüberschreitend ist und daher auch öffentliche Gesundheit global gedacht werden muss. Um das zu erreichen, müssen zum einen das Ausbildungsangebot von Public und International Health interdisziplinärer und die Berufsperspektiven von AbsolventInnen klarer herausgearbeitet werden. Zum anderen müssen Barrieren zwischen VertreterInnen der verschiedenen Bereiche von Public Health abgebaut werden.
Gesundheit ist grenzüberschreitend, da Lebens- und Umweltbedingungen wie auch Konflikte nicht an Landesgrenzen halt machen. Deshalb sollte auch öffentliche Gesundheitsarbeit grenzüberschreitend und disziplinüberschreitend gedacht und gelebt werden.
Was müssen wir also tun um das in Zukunft zu erreichen bzw. zu stärken? Wir möchten aus Sicht des Nachwuchses Global Health hierzu zwei Punkte hervorheben.
Zum einen sprechen wir uns dafür aus, das Ausbildungsangebot in Public/International Health anzupassen und auszuweiten. Wir müssen es für mehr Disziplinen öffnen, in anderen Bereichen für den Fachbereich Public Health werben und vor allem Plattformen bieten, die die Kommunikation und den Austausch von Studierenden der unterschiedlichen Gesundheitsdisziplinen ermöglichen, damit wir frühzeitig voneinander und miteinander lernen und arbeiten können. Wie bereichernd und interessant ein solch interdisziplinärer und auch internationaler Austausch, ein Blick über den Tellerrand, sein kann, durften wir als Studierende im Studiengang International Health täglich erfahren.
Zudem fällt es vielen Absolventen nach dem Studium schwer einen Berufseinstieg zu finden, da wichtige Kompetenzen oder praktische Erfahrungen fehlen, die sie zu interessanten KandidatInnen auf dem Arbeitsmarkt machen würden. Eine praxisnähere Gestaltung des Studiums, die einen frühzeitigen Austausch mit potentiellen ArbeitgeberInnen ermöglicht, sowie Hospitationen und Praktika anregt, würde eine spätere Orientierung auf dem Arbeitsmarkt erleichtern. Somit würden unsere AbsolventInnen besser auf die vielseitigen Tätigkeiten im Bereich Public Health vorbereitet sein, den wir als Nachwuchs natürlich aktiv und wesentlich mitgestalten möchten.
Zum anderen müssen bestehende Barrieren zwischen den VertreterInnen der verschiedenen Public-Health-Bereiche abgebaut werden. Wir brauchen klare Konzepte und gemeinsame inhaltliche Ziele, um einerseits die Zusammenarbeit der unterschiedlichen akademischen Fachbereiche untereinander zu verbessern und andererseits die Kommunikation zwischen Akademie und anderen AkteurInnen im Bereich Public Health zu intensivieren. Dies kann und sollte schon im Studium beginnen, damit wir frühzeitig lernen, über die Interessen unseres eigenen Fachbereichs hinweg auf das gemeinsame Ziel – einer Verbesserung der Gesundheit und Lebensumstände der Menschen in unserem Land und über dessen Grenzen hinaus – zu blicken und gemeinsam darauf hinzuarbeiten. Nur so können wir das Potential des Public-Health-Standorts Deutschland ausschöpfen und die Rolle Deutschlands als wichtigen Akteur im europäischen und internationalen Public-Health-Sektor festigen.
nach oben
Save the Date
Das 3. Zukunftsforum wird am 24. und 25.01.2019 wieder im Umweltforum in Berlin stattfinden. Über Programm und Teilnahmemöglichkeiten wird die Geschäftsstelle des Zukunftsforums Public Health rechtzeitig über den Newsletter informieren.
nach oben